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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 229/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 1
Ein Betreuer, dem die Vermögenssorge übertragen ist, kann entlassen werden, wenn er während mehrmonatiger Kuraufenthalte zu einer geordneten Aktenführung hinsichtlich seiner Betreuungen nicht in der Lage ist und es deswegen zu Abrechnungsfehlern zu Lasten des Betreuten kommt, die zu einem Strafverfahren gegen den Betreuer geführt haben, auch wenn dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Sprau sowie des Richters am Obersten Landesgericht Dr. Kainz und der Richterin am Oberlandesgericht Budesheim am 21. Dezember 2004 in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 24. September 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Am 4.3.1999 bestellte das Vormundschaftsgericht den Beteiligten für den Betroffenen, der über Vermögen in Form einer Eigentumswohnung und über ein regelmäßiges Einkommen verfügt, als ehrenamtlichen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt für die Abgabe von Willenserklärungen bei Kredit- und Ratenzahlungsvereinbarungen und bei der Belastung und Veräußerung von Eigentum an.

Mit Beschluss vom 23.11.1999 erweiterte das Gericht die Betreuung um den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten von Postsendungen. Am 26.2.2004 verlängerte das Vormundschaftsgericht die Betreuung bis 25.2.2009 und erweiterte sie um die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Gerichtsangelegenheiten.

Das Vormundschaftsgericht entließ am 4.6.2004 den Beteiligten gegen seinen Willen, jedoch mit Zustimmung des Betroffenen, als Betreuer und bestellte den jetzigen Betreuer mit unveränderten Aufgabenkreisen. Die am 7.6.2004 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten gegen dessen Entlassung eingelegte Beschwerde wies das Beschwerdegericht am 24.9.2004 nach Anhörung des Beteiligten zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Beteiligte sei bereits allein unter Zugrundelegung der von ihm eingeräumten und objektiv feststehenden Umstände ungeeignet zur Führung von Betreuungen gemäß § 1908b Abs. 1 BGB. Seine auf Dauer bestehende Erkrankung führe dazu, dass er jedes Jahr drei bis vier Monate wegen Kuraufenthalten ortsabwesend sei. Während dieser Zeit sei ein Kontakt mit ihm für das Vormundschaftsgericht, die Betreuungsstelle und den Betroffenen jeweils nicht bzw. nur unter erschwerten Umständen möglich. Ein persönlicher Kontakt könne während dieser Kuraufenthalte nur hergestellt werden, wenn der Beteiligte vom Kurort an den Wohnort des Betroffenen anreise, wodurch erhebliche Fahrtkosten entstünden.

Zum anderen habe der Beteiligte eingeräumt, schlampig zu arbeiten und eine "Zettelwirtschaft" zu betreiben, die Ursache für die nicht nur im vorliegenden Verfahren aufgetretenen Unstimmigkeiten in finanziellen Sachen (Abrechnungen) sei. Letztlich sei es auch zu Strafanzeigen und Strafverfahren gekommen, hinsichtlich derer das Beschwerdegericht jedoch zugunsten des Beschwerdeführers unterstellt, eine strafrechtliche Relevanz liege nicht vor.

Die Unzuverlässigkeit des Beteiligten dokumentiere sich schließlich auch darin, dass er seine Betreuungsunterlagen u.a. im vorliegenden Verfahren trotz Belehrung durch das Beschwerdegericht knapp zwei Monate danach immer noch nicht zurückgegeben habe.

2. Das Beschwerdegericht konnte seine Entscheidung ohne Rechtsfehler auf den von ihm festgestellten Sachverhalt stützen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Der Betreuer ist zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist, oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Die mangelnde Eignung ist ein vom Gesetz besonders hervorgehobener Grund für die Entlassung. Es genügt zur Entlassung jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 509; FamRZ 1998, 1257/1258). In der Regel liegt die Ursache in der Person oder den Verhältnissen des Betreuers, etwa wenn er den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis nur unzulänglich (vgl. LG Essen, NJW-FER 2000, 258) und unter Gefährdung der Interessen des Betreuten bewältigen kann (BT-Drucks. 11/4528, Seite 152 f.) oder wenn er den nötigen Einsatz vermissen lässt (vgl. BayObLGZ 1984, 178/180; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl. § 1908b BGB Rn. 6). Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Entlassung des Betreuers als letzte Maßnahme anzusehen, wenn nicht minder schwere Mittel nach § 1837 BGB ausreichen, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betreuten zu beseitigen. Das Vormundschaftsgericht hat zuerst die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrechts einzusetzen (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1257/1258; FamRZ 2003, 403/404; BtPrax 2004, 153/154). Andererseits verlangt das Gesetz aber nicht den Nachweis mangelnder Eignung, sondern lässt es im Hinblick auf die weitreichenden dem Betreuer eingeräumten Befugnisse und seine Vertrauensposition genügen, wenn konkrete Tatsachen Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Eignung geben (Senatsbeschlüsse vom 18.12.2002 Az. 3Z BR 200/02 und 16.10.2003 Az. 3Z BR 192/03).

b) Bei dem Begriff der Eignung im Sinne der §§ 1897 Abs. 1 Satz 1, 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Beurteilung der (fehlenden) Eignung durch den Tatrichter darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob der Tatrichter den Begriff der Eignung verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1249/1250; BtPrax 2004, 153/154; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1897 Rn. 4). Das gleiche gilt für die Beurteilung, ob "ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt" (vgl. § 1908b Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BGB).

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die häufige Abwesenheit des Beteiligten bei seinen Kuraufenthalten als solche bereits genügt, um die fehlende Eignung des Beteiligten als Betreuer zu begründen. Eine länger dauernde Abwesenheit spricht jedenfalls dann für die mangelnde Eignung, wenn sie im konkreten Betreuungsverfahren zu Nachteilen, insbesondere für den Betroffenen führt. Hierzu mag es im Einzelfall auch ausreichen, wenn der notwendige persönliche Kontakt nur aufgrund unzumutbarer Aufwendungen für Fahrtkosten ermöglicht werden kann, die dem vermögenden Betroffenen oder der Staatskasse in Rechnung gestellt werden. Allerdings mag es andererseits der Fall sein, dass ein vermögender Betroffener die Aufwendungen im Hinblick auf die persönliche Bindung in Kauf zu nehmen bereit ist, oder dass die ehrenamtliche Betreuung für die Staatskasse trotzdem kostengünstiger ist als eine Berufsbetreuung. Insoweit fehlt hier eine nähere Abwägung des Landgerichts.

Das Beschwerdegericht durfte die mangelnde Eignung des Beteiligten jedoch, jedenfalls im Ergebnis, ohne Rechtsfehler auf die fehlende Gewähr für ein zuverlässiges Arbeiten des Beteiligten stützen. Hierfür sprechen zum einen, worauf das Gericht zutreffend hinweist, die bei den Kuraufenthalten mangels eigenen Büros anfallende "Zettelwirtschaft" und die daraus resultierenden Abrechnungsfehler zu Lasten des Betroffenen. Eine sorgfältige und zuverlässige Abrechnung ist insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen dem Betreuer die Vermögenssorge übertragen und ein nicht unerhebliches Vermögen und Einkommen des Betroffenen zu verwalten ist, von wesentlicher Bedeutung. Der Beteiligte meint zu Unrecht, er könne seine Verantwortung für Abrechnungsmängel mit Hinweis auf etwaige gerichtliche Überprüfungsversäumnisse auf das Vormundschaftsgericht verlagern. Für die Richtigkeit der Abrechnungen ist der Betreuer verantwortlich, die Überprüfung der Rechnungslegung durch das Vormundschaftsgericht (vgl. § 1840 Abs. 2, § 1843, § 1908i BGB) führt nicht zu seiner Entlastung (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 64.Aufl. § 1843 Rn.1). Das vom Beteiligten ins Feld geführte Verhalten des Gerichts mag zwar unter Umständen Anlass sein, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zunächst Maßnahmen nach § 1837 BGB zu erwägen. Das gilt aber nicht für den hier vorliegenden Fall. Gegen den Beteiligten ist ein Strafverfahren anhängig, das unter anderem Abrechnungsbetrügereien mit Bezug auf das Vermögen des Betreuten zum Gegenstand hat. Auch wenn der strafrechtlich relevante Sachverhalt verfahrensrechtlich noch nicht vollständig ermittelt und festgestellt ist, ist dieser Umstand doch zum Schutz des Betroffenen im Verfahren zur Entlassung des Betreuers heranzuziehen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil der Beteiligte seinen Aufwendungsersatz ohne vorausgehende vormundschaftsgerichtliche Überprüfung (vgl. § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 69e Abs. 1 Satz 1 FGG) unmittelbar dem Vermögen des Betroffenen entnehmen kann. Da konkrete Anhaltspunkte für ein insoweit bewusst ungesetzliches Verhalten des Beteiligten zum Nachteil des Betroffenen vorliegen, muss nicht zugewartet werden, bis tatsächlich solche nachteiligen Handlungen in vollem Umfang nachgewiesen sind. Vielmehr ist es Sache des Betreuers, diese Anhaltspunkte auszuräumen. Gelingt ihm dies wie hier nicht, so steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Entlassung nicht entgegen, da sich die tatsächliche Verwendung der anvertrauten Geldmittel zeitnah durch verstärkte Aufsicht und Weisungen nicht kontrollieren lässt (vgl. auch BayObLG Beschluss vom 18.12.2002, Az. 3Z BR 200/02). Das gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene wie hier mit einem Betreuerwechsel einverstanden ist und durch diesen Wechsel keinerlei Nachteile zu befürchten hat. Denn dann besteht kein Anlass, den Betroffenen das Risiko ungesetzlichen Verhaltens eines ihm durch den Staat zugeordneten Betreuers tragen zu lassen.



Ende der Entscheidung

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